Willkommen zu dieser Ausgabe von Thought Leadership – unserem Blog-Format, in dem du das neueste eCommerce-Wissen direkt von unseren Experten erfährst. In diesem Beitrag weiht dich Thomas Pantle, Produktmanager bei FACT-Finder, in seine eCommerce-Kata ein. Dabei handelt es sich um ein praktisches und mächtiges Framework, mit dem du kleine Schritte in großartige Ergebnisse verwandelst.
Im eCommerce sind alle Datensätze vorhanden, die man sich nur wünschen kann, um ein perfektes Einkaufserlebnis zu schaffen und nahezu alles zu optimieren. Doch manchmal scheint es schwer zu sein, handfeste Fortschritte beim Erreichen der eigenen Ziele zu machen. Um eCommerce-Verantwortlichen bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen, habe ich ein Framework geschaffen, das sich von „The Product Kata“ von Melissa Perri und der Toyota Kata ableitet.
Was ist eine Kata?
Der Begriff „Kata“ beschreibt eine strukturierte Art und Weise, Dinge zu tun oder zu üben. Ursprünglich stammt dieser Ansatz aus den japanischen Kampfkünsten: Lernende werden ermutigt, einen Großteil ihrer Zeit mit dem Üben bestimmter Bewegungen zu verbringen. Durch das ständige Wiederholen wird die richtige Technik allmählich verfestigt – bis hin zur Meisterschaft. Angewandt auf die Geschäftswelt bedeutet diese Kata-Definition: Basierend auf wissenschaftlichem Denken wird die Fähigkeit trainiert, sich schnell, schrittweise und kontinuierlich zu verbessern.
Aber warum brauchst du überhaupt so etwas wie die eCommerce-Kata, um deine Arbeit zu strukturieren?
1) Mit der eCommerce-Kata wirst du deinem Ziel auf wissenschaftliche und bewährte Weise näher kommen. Dies hilft sowohl dir bei der Erreichung deiner Ziele als auch deinem Vorgesetzten, die Fortschritte seines Teams zu überprüfen und herauszufinden, wo er Unterstützung leisten kann.
2) Da du sicherstellst, dich immer auf dein Ziel zuzubewegen, ist dies eine großartige Gelegenheit, dein gesamtes Team und dein Unternehmen darauf auszurichten.
3) Die eCommerce-Kata wird deinem Unternehmen helfen, da sie schnelle und kostengünstige Learnings generiert. So konzentrierst du dich nur auf die notwendigen Aufgaben und auf Dinge, die sich bewährt haben. Alles andere rückt in den Hintergrund.
4) Außerdem kann die eCommerce-Kata einem größeren Team bei der Zusammenarbeit helfen. Und zwar nicht nur in Bezug auf die Ausrichtung, sondern auch, indem eine Wissensbasis mit bereits bestehenden Erfahrungen geschaffen wird und innerhalb des Teams transparent wird, woran gerade gearbeitet wird.
Wie funktioniert das?
Wie du siehst, ist die eCommerce-Kata in 4 Stufen aufgebaut.
1) Unternehmensziel, eCommerce-KPI, zukünftiger Status
Der erste Schritt besteht darin, das eigene Ziel zu kennen. Dieses Ziel kann 5-10 Jahre in der Zukunft liegen, aber auch deutlich kleiner ausfallen. Achte aber darauf, dass das Ziel nicht zu klein ist. Ansonsten verliert die eCommerce-Kata ihren Wert, da der Weg zum Ziel auch ohne Hilfe leicht zu erkennen wäre. Das Hauptziel könnte die Unternehmensvision sein, oder etwas, das daraus als Teilziel abgeleitet wird. Abhängig von deiner Position könnte es entweder in Zusammenarbeit mit deinem Manager oder mit anderen Vorgesetzten definiert werden, damit es mit den Unternehmenszielen in Einklang steht. Frage dich bei diesem ersten Schritt Folgendes: „Was wollen wir erreichen?“
2) Was tun unsere Nutzer?
Der zweite Schritt muss aus einem bestimmten Grund nach dem ersten Schritt erfolgen. Vermutlich gibt es eine Menge Dinge, die deine Website-Nutzer tun, aber nur wenige davon werden mit deinem Ziel aus Schritt eins übereinstimmen. In diesem zweiten Schritt solltest du sicherstellen, dass die aktuelle Situation so präzise wie möglich erfasst wird. Das bedeutet in der Regel, einige KPIs zu untersuchen oder vielleicht auch nur einen, falls dein Ziel bereits mit diesem einen KPI in Verbindung steht. Dieser Schritt könnte auch eine qualitative Analyse beinhalten, indem du mit deinen Kunden, dem Kundendienst oder anderen Personen sprichst.
3) Was ist das erste Teilziel?
Beginne damit, deine Schritte zu planen. Besonders wichtig ist die Aufstellung einer angemessenen Hypothese darüber, was du tun musst, um den Ist-Zustand in Richtung des Soll-Zustands zu verschieben. Dies ist üblicherweise der Schritt, der die meiste „Denkarbeit“ erfordert, da du eine mögliche Lösung finden musst, die das Problem des Kunden löst, sich auf dein Ziel bezieht, mit den spezifischen Beschränkungen deines Unternehmens im Einklang steht und gemessen werden kann. Dies ist auch eine gute Möglichkeit, mit dem Wissen und den Ideen des Teams eine gemeinsame Hypothese aufzustellen. Am Ende des Prozesses solltest du einen klar definierten Schritt und eine Erwartung an die Ergebnisse haben.
4) Nutzerforschung, Experimentieren
Zum Schluss machst du dich auf Grundlage deiner Hypothese an die Arbeit. Der Schlüssel zu diesem Schritt besteht darin, Experimente auf kostengünstige und schnelle Weise durchzuführen. Möchtest du also euren Bezahlvorgang verbessern, solltest du zunächst prüfen, ob die Verbesserung des Bezahlvorgangs den aktuellen Zustand in der richtigen Weise (in Richtung Ihres Ziels) beeinflusst. Optimalerweise findest du einen Weg, der kein Programmieren erfordert, sondern bei dem das Frontend während der Durchführung deiner Experimente „simuliert“ wird. Dadurch ist in der Regel mehr manuelle Arbeit erforderlich. Deine Lösung könnte dadurch auch nicht ganz skalierbar sein, aber unser Ziel bei diesem Schritt besteht darin, Informationen zu erhalten und nicht alles zu perfektionieren.
Im Anschluss an diese Schritte musst du überprüfen, ob du dein Ziel erreicht hast. Wenn nicht, wiederhole den Vorgang.
Beachte dabei: In Schritt 1-3 machen wir faktisch noch nichts und auch in Schritt 4 unternehmen wir noch nichts in Bezug auf die Produktionsqualität. Genau das macht die eCommerce-Kata so effektiv. Denn du gehst so viele Schritte wie möglich in Richtung deiner Ziele, während du so wenig Ressourcen wie möglich bindest.
Das klingt ziemlich abstrakt. Wie wäre es mit einem Beispiel?
Gerne! Ich habe für mich selbst eine Tabelle erstellt, in der ich meine Katas verfolge. Alles beginnt mit dem Ziel, an dem ich arbeite. Es ist in der Regel etwas, das von der Geschäftsführung und/oder in Zusammenarbeit mit meinem Manager festgelegt wurde. In diesem fiktiven Beispiel war das Ziel, den durchschnittlichen Auftragswert (Englisch: Average Order Value; AOV) zu erhöhen, da er in den letzten Jahren stagnierte.
Daher haben mein Manager und ich ein Zwischenziel definiert, welches das Gesamtziel beeinflusst. in diesem Fall ging es darum, dass mehr als 60 % der Kunden einen Bestellwert von über 40 € haben, damit sie vom kostenlosen Versand profitieren. Dazu gehört auch eine von meinem Manager im Voraus festgelegte Strategie, den kostenlosen Versand zu nutzen, um unseren AOV zu steigern. Es könnte auch weniger spezifisch sein, z. B. die Erhöhung des AOV um 20 %.
In der Tabelle fülle ich die Spalten von links nach rechts aus. Die erste erfasst immer den aktuellen Ist-Zustand in Bezug auf unser Zwischenziel, das in diesem Fall der Prozentsatz der Kunden mit einem AOV über 40 € ist.
Als nächstes folgt unsere aktuelle Herausforderung. Dies ist der schwierigste Schritt in der Durchführung, denn du musst dir selbst gegenüber ehrlich sein und kritisch über deine Probleme nachdenken. Das ist besonders schwierig, wenn du dich schon einmal mit demselben Thema beschäftigt hast und die Website entworfen hast, die du jetzt als Problem identifiziert hast.
Es ist sehr wichtig, Abstand zu gewinnen und objektiv über deinen Online-Shop und das Nutzererlebnis nachzudenken. In den ersten Durchläufen der eCommerce-Kata ist die Herausforderung in der Regel ein Lernthema. Das heißt, es gibt gewisse Dinge, die du noch nicht weißt und die sich auf das Ziel auswirken können. Zu Beginn der Umsetzung ist es deine Hauptaufgabe, jene Probleme zu identifizieren, die dich beim Erreichen dieser Ziele beeinträchtigen.
In unserem Beispiel ist das erste Hindernis die Tatsache, dass wir nicht wissen, warum Kunden mit einem Bestellwert von weniger als 40 € nicht genug kaufen, um vom kostenlosen Versand zu profitieren. Wir haben die Hypothese aufgestellt, dass 40 € zu hoch sein könnten, um einen kostenlosen Versand lohnenswert zu machen.
Danach folgt mein Lieblingsschritt: Definieren, was wir unternehmen können, um das aktuelle Problem zu lösen. Dies gibt dir die Möglichkeit, Kreativität und Teamgeist zu nutzen, da du dein Team vollständig einbeziehen oder einige Kollegen zurate ziehen kannst, wenn du selbst nicht auf eine Lösung kommst. Dieser Schritt in der eCommerce-Kata ist die einzige Gelegenheit für Innovation, da du hier eine Lösung vorschlägst.
Beachte, dass ein Lösungsvorschlag noch lange nicht die richtige Lösung sein muss. Wenn eine vorgeschlagene Lösung nicht funktioniert, muss sie verworfen werden. Wenn wir zuvor eine Art Hypothese aufgestellt haben, müssen wir einen Weg finden, diese Hypothese zu beweisen oder zu widerlegen. Wenn wir dies nicht getan haben, müssen wir in diesem Schritt auch die Hypothese definieren. Beides ist möglich, da diese beiden Schritte in der Regel in schneller Folge durchgeführt werden.
Kommen wir auf unser Beispiel zurück: Ein möglicher Schritt zur Bewältigung unseres Problems könnte darin bestehen, eine kleine Gruppe unserer bisherigen Kunden zum Thema zu befragen. Zwei wichtige Anmerkungen an dieser Stelle: Erstens ist dies ein qualitativer Schritt, aber je nach Situation könnte es auch ein quantitativer Schritt sein (z. B. Einsicht in Analysedaten). Zweitens stelle bitte sicher, dass alles, was du tust, günstig und schnell ist. Günstig bedeutet, dass es einen minimalen Aufwand erfordern sollte. Wenn du keine Tools zur Datenanalyse besitzt, sollte dein Schritt keine Datenerhebung beinhalten. Schnell bedeutet, dass du nur eine Woche bis zur Wiederholung der Kata und zur Definition des nächsten Problems/Schrittes brauchen solltest.
Du hast jetzt ein klar definiertes Problem und einen Lösungsansatz. Jetzt ist es an der Zeit, das Wesentliche deiner Hypothese herauszuarbeiten. In der Spalte „Erwartet“ halten wir fest, was passieren würde, wenn unsere Hypothese zu 100 % richtig wäre. Das war’s. Später kannst du dich damit an die gewonnenen Erkenntnisse erinnern.
In unserem Beispiel besteht das erwartete Ergebnis darin, herauszufinden, wie viele Kunden der Meinung sind, dass 40 € für kostenlosen Versand zu viel sind.
Nachdem du die Daten gesammelt hast, musst du festhalten, was wirklich passiert ist. Dafür haben wir die letzte Spalte, „Gelernt“. Diese letzten beiden Spalten geben uns einen guten Überblick über die bisherigen Durchläufe und können als Grundlage für künftige Entscheidungen dienen.
In unserem Beispiel waren nur 10 % der Kunden der Meinung, dass 40 € zu viel für den kostenlosen Versand sind, was nicht ausreicht, um die Zahl der Kunden, die für mehr als 40 € bestellen, von 40 % auf 60 % zu erhöhen. Über das Textfeld haben uns jedoch weitere 10 % der Kunden mitgeteilt, dass sie nicht wussten, dass es in unserem Shop einen kostenlosen Versand gibt – eine potenziell wichtige Information, die wir für unsere nächste Hypothese nutzen können.
Darauf aufbauend wiederholen wir den Prozess, bis wir denken, dass wir genug gelernt haben und die zugrunde liegenden Probleme verstehen. Dann machen wir aus unseren Wiederholungen konkrete Taten, von denen wir erwarten, dass sie den Ist-Zustand verändern, und wiederholen sie so lange, bis wir unser Ziel erreicht haben. Du kannst am Beispiel sehen, dass wir fünf Wiederholungen gebraucht haben, um unser Ziel zu erreichen. Dies könnte ehrlich gesagt schneller vonstatten gehen. Doch lass dich nicht aus der Ruhe bringen: Da wir die maximale Dauer eines Durchgangs auf etwa eine Woche festgesetzt haben, wirst du auch in wenigen Wochen etwas erreichen. Viele der Durchgänge können außerdem schneller durchgeführt werden.
Das ist alles, was du wissen musst, um loszulegen. Von hier an geht es vor allem darum, dass du und dein Unternehmen diese Arbeitsweise umsetzen und viele Dinge über eure Kunden lernt (von denen ihr wahrscheinlich noch nichts wisst). Sollten noch Rückfragen bestehen, kannst du gerne mit mir Kontakt aufnehmen – per Mail an thomas.pantle@fact-finder.com or über mein LinkedIn-Profil
Über den Autor
Thomas Pantle ist Produktmanager bei FACT-Finder. Seine vormalige Ausbildung zum eCommerce-Kaufmann hat er mit Bestnoten abgeschlossen, während er sich zeitgleich ins Produktmanagement einarbeitete. Sein größter Wunsch ist es, andere dabei zu unterstützen, großartige Resultate zu erzielen. Dabei ist Thomas optimistisch genug, immer von den perfekten Ergebnissen zu träumen – aber auch realistisch genug, um nach Ergebnissen zu streben, die „gut genug“ sind. Wenn er sich mit drei Hashtags beschreiben müsste, wären das: #Strategist #CuriousLearner #RuthlessOutcomeFocus
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